Wochenartikel 09 | Pädagogisches Wissen von angehenden Lehrkräften

König, J. & Blömeke, S. (2009). Pädagogisches Wissen von angehenden Lehrkräften. Erfassung und Struktur von Ergebnissen der fachübergreifenden Lehrerausbildung. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, online publiziert am 07. Oktober 2009 (Springerlink).

Während zur Testung des fachbezogenen Wissens von angehenden und praktizierenden Lehrkräften mittlerweile Erfahrungen vorliegen, stellt die standardisierte Erfassung ihres fachübergreifenden, pädagogischen Wissens ein neues Feld dar. Der Beitrag stellt vor, wie dieses Wissen unter Bezug auf Standards für die Lehrerausbildung sowie Erkenntnisse aus der Allgemeinen Didaktik und der Unterrichtsforschung definiert und erfasst werden kann.

Die Autorin und der Autor definieren in ihrem soeben online publizierten Artikel „professionelle Kompetenz“ von Lehrkräften als die erfolgreiche Bewältigung zentraler Anforderungen, die typisch für den Lehrerberuf sind. In Anlehnung an die Topologie von Shulmann (1986) umfasst diese „professionelle Kompetenz“ verschiedene, für den Lehrerberuf spezifizierte Wissensbereiche: fachliches Wissen, fachdidaktisches Wissen und fachübergreifendes, pädagogisches Wissen. Während zum fachbezogenen und fachdidaktischen Wissen eine bescheidene Anzahl Studien vorliegt (MT21, TEDS-M, COACTIC; vgl. den Wochenartikel 08), ist bislang für den Bereich des pädagogischen Wissens theoretisch nicht vollständig und empirisch so gut wie gar nicht geklärt, was genau unter diesem Wissensbereich verstanden werden kann und wie er strukturiert ist (vgl. König & Blömeke, 2009, S. 3).

Die beiden Autoren verstehen fachübergreifendes, pädagogisches Wissen nicht als Einheit, sondern konzeptualisieren dieses mehrdimensional. Dabei greifen sie auf empirisch nachgewiesene Basisdimensionen von Unterrichtsqualität zurück und verknüpfen diese mit Modellen der Allgemeinen Didaktik.

Während sich die Allgemeine Didaktik vornehmlich mit den Komponenten und Prozessen von Unterricht auseinander setzt, versucht die empirische Unterrichtsforschung die Qualität von Unterricht anhand von Merkmalen zu beschreiben, die mit Schülerleistungen in Zusammenhang stehen (Brophy 1999; Baumert et al. 2004). Die zahlreichen Untersuchungen zur Unterrichtsqualität haben in den vergangenen Jahrzehnten eine Fülle von Einzelergebnissen hervorgebracht. Ditton (2000) hat einen Modellrahmen zu wirksamen Faktoren des Unterrichts vorgeschlagen, dessen Struktur an den Ansatz Quality-Appropriateness-Incentives-Time (QAIT) von Slavin (1994) angelehnt ist. Dieser verknüpft vier Unterrichtsfaktoren, die sich in empirischen Studien wiederholt als bedeutsam erwiesen haben:

  • Qualität der Instruktion ( Quality),
  • Angemessenheit des Anspruchsniveaus ( Appropriateness),
  • Motivierung ( Incentives) und
  • Unterrichtszeit ( Time).

Da weitere Systematisierungen mit diesem Modell gut harmonieren (siehe z.B. Helmke 2003; Baumert et al. 2004; Good & Brophy 2007), kann die Eingrenzung von Unterrichtsqualität auf diese Basisdimensionen als relativ abgesichert gelten.

So folgen die Autoren diesem Diskurs und beschreiben sowohl aus der Perspektive der empirischen Unterrichtsforschung als auch unter didaktischen Gesichtspunkten die Operationalisierung des fachübergreifenden, pädagogischen Wissens von Lehrkräften als „Fachleute für das Lehren und Lernen“ (KMK, 2004, S. 3) anhand von fünf Dimensionen beruflicher Anforderungen:

  1. Strukturierung von Unterricht,
  2. Motivierung,
  3. Umgang mit Heterogenität,
  4. Klassenführung und
  5. Leistungsbeurteilung.

Leitende Fragestellung der Studie war, ob das pädagogische Wissen angehender Lehrpersonen anhand dieser fünf theoretisch herausgearbeiteten beruflichen Anforderungen organisiert ist oder ob es eine homogene Struktur aufweist. Zudem stellten sie sich die Frage, welche Zusammenhänge diese verschiedenen inhaltlichen Wissensbereiche aufweisen.

Zur Erfassung des pädagogischen Wissens wurde ein umfangreicher Pool von Testaufgaben theoriegeleitet und unter besonderer Berücksichtigung von Erkenntnissen der Allgemeinen Didaktik sowie der empirischen Unterrichtsforschung entwickelt. Es wurden sowohl geschlossene als auch offene Antwortformate entwickelt. Alle fünf Anforderungen sollten mit einer Zahl an Items versehen sein, die Rasch-Skalierungen ermöglichten.

Die Autoren konnten aufgrund ihrer Auswertungen zeigen, dass das fünfdimensionale Modell die Antworten der Studierenden im Vergleich zum eindimensionalen Modell deutlich besser widerspiegelt. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass es wichtig ist, von einer anforderungsbezogenen Struktur des pädagogischen Wissens auszugehen und nicht Homogenität anzunehmen! Dieses Ergebnis konnte sowohl in Bezug auf die gesamte Stichprobe (N=802 Lehramtsstudierende) als auch in Bezug auf zwei Subgruppen von deutschen Lehrerstudierenden und fortgeschrittenen Studierenden bestätigt werden.

Unter wissenschaftstheoretischen Gesichtspunkten stützen die Daten damit die These von Benner (1987), dass sich das pädagogische Wissen funktional von der Logik der Praxis aus bestimmt. Sie rechtfertigt auch die Orientierung an der Kompetenztheorie, für die ein Ausgehen von beruflichen Anforderungen konstitutiv ist (Bromme 1992, 1997; Bromme & Haag 2004; Weinert 2001).

Interessant ist jedoch der Befund, dass die Zusammenhänge der fünf Bereiche nicht sehr hoch sind, wobei dieses Resultat ebenfalls für das ausdifferenzierte Modell spricht und nicht für die Homogenitätsannahme.

Quelle:

König, J. & Blömeke, S. (2009). Pädagogisches Wissen von angehenden Lehrkräften. Erfassung und Struktur von Ergebnissen der fachübergreifenden Lehrerausbildung. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, online publiziert am 07. Oktober 2009 (Springerlink).

Dieser Beitrag wurde unter Forschung, Lehrer/-innenbildung, Schule abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

*