Der zweite Tag des Jahreskongresses der Schweizerischen Gesellschaft für Bildungsforschung (SGBF) und der Schweizerischen Gesellschaft für Lehrerinnen- und Lehrerbildung (SGL) mit dem Thema „Unterrichtsforschung und Unterrichtsentwicklung“ stand ganz im Zeichen von diversen parallel verlaufenden grossen und kleinen Symposien, sowie einer Präsentation von verschiedenen Postern.
Unsere Gruppe (bestehend aus Peter Tremp, Sandra Mittag, Jessica Dehler und mir) vertrat hochschuldidaktische Themen in einem kleinen Symposium mit dem Titel: „Qualitäten der universitären Lehre„.
Peter Tremp hielt in seinen Einleitung fest, dass Schulentwicklung und Qualitätsansprüche eng verbunden sind mit Fragen nach dem angestrebten Profil einer Bildungseinrichtung. So liessen sich Konzepte der einen Bildungsstufe auch nur bedingt auf andere Stufen übertragen. Ausgehend von dieser Überlegung fragten wir in unseren Beiträgen nach den Besonderheiten der universitären Hochschulstufe und den Implikationen für die Entwicklung der Lehre und die Qualitätsdiskussion.
Der erste Beitrag von Jessica Dehler des Didaktikzentrums der Universität Fribourg hielt ein Referat mit dem Titel: „Dispositifs de formation d’enseignement-e-s universitaires. Impacts sur le développement professionnel et sur la qualité de l’enseignement“. Sie stellte konkrete Massnahmen zur Entwicklung der Lehre an der Universität Fribourg vor. Aufgrund einer Bedarfsanalyse, welche das Didaktikzentrum durchführte, wünschen sich 53% der universitären Lehrpersonen eine hochschuldidaktische Ausbildung. Besonders interessant scheint mir der Ansatz zu sein, gemeinsam mit den Professorinnen und Professoren Praxisgemeinschaften zu bilden: den Did@cTIC Lunch.
Diese Treffen bieten einen Ort für den Austausch unter Professoren und Professorinnen, der in einigen Fällen von der Teilnahme von Experten und Expertinnen bereichert werden wird. Prof. Bernadette Charlier (Leiterin des Zentrums für Hochschuldidaktik) wird die Treffen moderieren. Bei jedem Termin wird eine spezifische Thematik bearbeitet, die aus allen Tätigkeitsfeldern von Professoren und Professorinnen kommen kann, also sowohl die Lehre, aber auch die Doktoratsbetreuung, die Mitarbeiterführung etc. betreffen kann.
Sandra Mittag von der TU Darmstadt fragte sich in ihrem Referat, was und wie Evaluationen zur Qualitätssicherung an Hochschulen beitragen können. Sie fokussierte vor allem auf mehrstufige Evaluationsverfahren mit interner Selbst- und externer Fremdbeurteilung. Diese Evaluationen haben teilweise nur Studium und Lehre, teilweise aber auch Forschung und Dienstleistung zum Gegenstand.
Mein Referat hatte den Titel „Verknüpfung von Forschung und Lehre als Qualitätsmerkmal: Studentische Wahrnehmung von Hochschulunterricht. Die Untersuchung konnte im Rahmen der Vergabe des Lehrpreises 2009, welcher an der Universität Zürich stattfand, durchgeführt werden. Ich zeigte Ergebnisse zu folgenden Forschungsfragen: Wie gut verbinden Dozierende der UZH Forschung und Lehre in der Wahrnehmung der Studierenden? Wie bedeutsam schätzen die Studierenden die Verknüpfung von Forschung und Lehre ein? Und: Wollen die Studierenden “ so wie es das Leitbild der UZH verlangt “ Teil einer Forschungsgemeinschaft sein? Zudem konnte ich auch erste Ergebnisse der qualitativen Auswertung der Daten präsentieren: Was tun “ aus der Sicht der Studierenden “ Dozierende, die Forschung und Lehre vorbildlich verknüpfen?
Die nachfolgende Gruppe (bestehend aus Frank Lipowsky, Barbara Drollinger-Vetter und Alex Buff) hielt drei Referate zum Thema: „Was kann die Unterrichtsforschung zur Weiterentwicklung von Theorien und Methoden und zur Weiterentwicklung von unterrichtlicher Praxis leisten? Sie präsentierten Beiträge aus dem Projekt „Unterrichtsqualität, Lernverhalten und mathematisches Verständnis“.
Frank Lipowsky von der Universität Kassel stellte dar, wie die drei Basisdimensionen von Unterrichtsqualität (kognitive Aktivierung, effektive Klassenführung und unterstützendes Unterrichtsklima) über hochinferente Ratings im Rahmen einer dreistündigen Unterrichtseinheit zum Satz des Pythagoras erfasst werden konnten. Als abhängige Variable wurde das konzeptuelle Verständnis am Ende der dreistündigen Unterrichtseinheit mehrebenenanalytisch untersucht. Die Ergebnisse verweisen “ hypothesenkonform “ auf direkte Effekte der effektiven Klassenführung und der kognitiven Aktivierung, während das unterstützende Unterrichtsklima keinen Haupteffekt auf das konzeptuelle Verständnis zeigte. Dies bedeutet also, dass sich Basisdimensionen von Unterrichtsqualität empirisch nachweisen lassen.
Barbara Drollinger-Vetter von der Pädagogischen Hochschule Zürich zeigte “ ausgehend von einer kognitionspsychologischen Sicht von Verstehen als Strukturaufbau (Aebli) “ auf, dass mit einer Unterscheidung verschiedener Ebenen von Verküpfungen zwei fachdidaktische Qualitätsmerkmale bestimmt werden können: Das Vorkommen von „Verstehenselementen“ und die „strukturelle Klarheit“ des Unterrichts. Diese konzeptspezifisch formulierten Qualitätsmerkmale wurden hoch inferent über die Theoriephasen der videographierten Unterrichtseinheit bestimmt. Beide Merkmale haben einen Effekt auf die unmittelbaren Nachleistungstests der Schülerinnen und Schüler.
Alex Buff (ebenfalls von der Pädagogischen Hochschule Zürich) stellte in seinem Referat zwei Möglichkeiten der Ermittlung des Ausmasses erlebter Selbstbestimmung auf der Basis freier Äusserungen vor: Ein Globalrating (Einschätzung auf einer 6-er Skala von „autonom/selbstbestimmt“ zu „kontrolliert/fremdbestimmt“) und eine Typologie (hohe Selbstbestimmung / mittlere Selbstbestimmung / tiefe Selbstbestimmung und ambivalent Motivierte). Er verglich diese beiden Methoden hinsichtlich ihrer Beziehung, Geschlechts- und Schultypendifferenzen sowie ihrer prädiktiven Nützlichkeit bezogen auf Mathematikleistungen zu Beginn und am Ende des Schuljahres. Aufgrund der Ergebnisse muss jedoch die Frage der Äquivalenz der beiden Indices verneint werden. Die Typologie scheint aufgrund der Ergebnisse vorteilhafter.
Am Nachmittag besuchte ich eine Papersession zum Thema Lehrerbildung, wobei mich vor allem der vierte Beitrag (wiederum der Pädagogischen Hochschule Zürich) gehalten von Ernst Huber und Barbara Zumsteg besonders interessierte. Sie stellten die Neuausrichtung der berufspraktischen Ausbildung an der PHZH vor, bei welcher die Ziele des situierten Lernens und der Kompetenzorientierung stark zum Tragen kommen sollen. Vor allem das sieben Wochen dauernde Quartalspraktikum kann als das Herzstück der berufspraktischen Ausbildung bezeichnet werden. Hier wird hauptsächlich auf das fachspezifisch-pädagogische Wissen der Studierenden fokussiert. Eine sorgfältige, von Fachdidaktikern begleitete Vorbereitung, eine intensive Begleitung der Studierenden durch die Praxislehrpersonen in Anlehnung an das Modell des Fachspezifisch-Pädagogischen Coachings (West & Staub, 2002; Staub 2001), sowie eine Zwischen- und Schlussauswertung unterstützen die Kompetenzentwicklung der Studierenden. Mir leuchtet diese Neuausrichtung sehr ein und ich bin natürlich gespannt, wie die Arbeit mit dem Fachspezifisch-Pädagogischen Coaching funktioniert.
Und zum Fachspezifisch-Pädagogischen Coaching referiert Prof. Dr. Fritz Staub am Ende dieses Tages „Unterrichtscoaching als Paradigma des professionellen Lernens und der Unterrichtsentwicklung“. Er stellte das Modell noch einmal detailliert vor (vgl. Staub, 2001) und verwies auch auf neuere Forschungsresultate, vor allem aus dem DORE-Projekt der Pädagogischen Hochschule Thurgau in Kooperation mit der Universität Fribourg (dazu dann mehr im dritten und letzten Blogeintrag zu dieser Jahrestagung).