Wochenartikel 05 | Bildungsstandards

Artikel:

Halbheer, U. & Reusser, K. (2009). Outputsteuerung, Accountability, Educational Governance “ Einführung in Geschichte, Begrifflichkeiten und Funktionen von Bildungsstandards. Beiträge zur Lehrerbildung, 26 (3), S. 253-266.

Im Artikel von Halbheer und Reusser (2009) werden Aspekte von Bildungsstandards thematisiert, welche diese für Schulen und Lehrpersonen bedeutsam machen. Bereits im Abstract lässt sich eine Definition finden: «Während Lehrpläne angeben, was im Unterricht behandelt wird, legen Standards fest, was Schülerinnen und Schüler können sollen» (vgl. ebd., S. 253).

Sehr hilfreich ist die vorgenommene dreifache Unterscheidung des Standardbegriffs auf Seite 254:

  • Inhaltsstandards (content standards) bezeichnen die verbindlichen Inhalte und Lernziele schulischer Bildungsarbeit. Funktionslogisch sind diese, zusammen mit den personalen und materialen Ressourcen, die bei der Bildungsarbeit zur Verfügung stehen, der Input-Seite des Bildungssystems zuzuordnen.
  • Prozessstandards (opportunity to learn standards) beziehen sich auf die Lerngelegenheiten und die damit verbundenen angebots- und nutzungsbezogenen Bedingungen schulischen Lernens. Zusammengefasst stehen sie für die in einem System praktizierte, von den Kompetenzen der Lehrpersonen (Angebotsseite) und von jenen der Schülerinnen und Schüler (Nutzungsseite) abhängige Schul-, Unterrichts- und Lernkultur.
  • Ergebnisstandards (output / performance standards) stehen für den Kern der aktuellen Diskussion. Sie bezeichnen den «Outcome» des schulischen Lernens, d.h. auf Zielniveaus bezogene, durch Leistungstests messbar gemachte Kompetenzen, von denen erwartet wird, dass sie zu bestimmten Zeitpunkten erreicht werden.

Werden nun Bildungsstandards als Leistungsstandards begriffen, ergeben sich nach Halbheer und Reusser (2009, S. 256) verschiedene Möglichkeiten in Bezug auf Zielniveaus und diesen entsprechenden Kompetenzen, nämlich die Unterscheidung nach Mindest-, Regel- und Maximalstandards. So sind die für die Schweiz vorgesehenen Standards als Basis- oder Mindeststandards für die Erstsprache, die Fremdsprachen, die Mathematik und die Naturwissenschaften gedacht. Mit Bildungsstandards und den damit einhergehenden Tests werden multiple Ziele verfolgt: «Neben der Möglichkeit zur Erfassung von Lernständen, Problemlagen und von Trends in Bezug auf die Qualität unserer Bildungssysteme, werden diagnostisch gehaltvolle Rückmeldungen für Lehrpersonen, Eltern und Lernende angestrebt, Informationen, die sich auch für den Unterricht nutzen lassen» (vgl. ebdd., S. 256ff.). 

Die Autoren argumentieren gegen Ende des Artikels, dass Bildungsstandards einen wichtigen Beitrag zu einer für die Schulen fairen, datengeleiteten Bildungssteuerung leisten, indem denkbar sei, dass die Ressourcenzuteilung an Schulen künftig auch auf der Basis erbrachter Lernleistungen erfolgt, indem z.B. Schulen mit einem hohen Anteil an Risikoschülerinnen und -schülern in den Genuss von Unterstützungsmassnahmen kommen (vgl. ebd., S. 262). Halbheer und Reusser verzichten jedoch nicht darauf auch auf die Kehrseite der Medaille hinzuweisen, dass nämlich in einem auf ökonomisch motivierte Effizienz ausgerichteten Bildungssystem Testdaten auch missbraucht werden können. Zum Beispiel indem Schulen, deren Schülerinnen und Schüler immer wieder unterdurchschnittliche Leistungen erbringen, unter Druck gesetzt werden, ohne ihnen gleichzeitig notwendige Hilfestellungen zukommen zu lassen. 

Im Kritischen Fazit des Artikels wird auf vier Punkte hingewiesen, welche durch die Implementierung von Bildungsstandards relevant werden:

  1. Unscharfer Kompetenzbegriff: Schwierigkeit, Bildungsstandards korrekt zu formulieren
  2. Steuerungsproblematik: Unmöglichkeit, Bildung zu technologisieren resp. zu kalibrieren
  3. Bemängelung des Literacy-Ansatzes: Keine über die Allgemeinbildung hinausreichende Bildung möglich
  4. Missbrauch von Bildungsstandards für Selektionsprozesse (teaching to the test)

So fragen sich Halbheer und Reusser am Schluss des Artikels zu Recht, dass momentan unklar ist, ob mit der Einführung einer Testkultur sich auch Wirkungen auf pädagogischer Ebene einstellen. Sie bezweifeln, dass dies ohne massive Auf- und Umrüstung der pädagogischen Stützsysteme jedoch möglich ist (vgl. ebd., S. 264). 

Quelle:
Halbheer, U. & Reusser, K. (2009). Outputsteuerung, Accountability, Educational Governance “ Einführung in Geschichte, Begrifflichkeiten und Funktionen von Bildungsstandards. Beiträge zur Lehrerbildung, 26 (3), S. 253-266.

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