Deutsche Gesellschaft für Hochschuldidaktik | Jahrestagung 2009 | Teil 2

Wie angekündigt, möchte ich gerne noch über andere Beiträge von der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hochschuldidaktik berichten.
Drei Beiträge widmeten sich dem selbstgesteuerten Lernen resp. der Verbindung von Studium und Praktika.
Silke Weiss von der Arbeitsstelle Hochschuldidaktik der Universität Freiburg i.Br. hielt einen Vortrag mit dem Titel: Selbstbestimmtes Lernen im Studium – Lernmotivation in reformierten Studiengängen. Sie referierte auf Deci und Ryans Selbstbestimmungstheorie resp. deren drei basic needs“ (Kompetenzerleben, Autonomie und soziale Eingebundenheit) und deren Stufung der Lernmotivation extrinsisch, introjieziert, identifiziert, intrinsisch“.  Frau Weiss befragte 318 Bachelorstudierende aus verschiedenen Studiengängen als auch Studierende, welche noch nicht in reformierten Studiengängen studierten. Ein für mich spannendes Ergebnis war, dass vor allem im 2. Studienjahr weniger intrinsische Motivation vorhanden war als im ersten und dass beim Selbststudium die Lernmotivation vor allem extrinsisch motiviert war! Da kann man sich wirklich fragen: Weshalb?!


Birgit Szczyrba und Edith Kröber vom Hochschuldidaktischen Zentrum der TU Dortmund resp. dem Zentrum für Curriculaentwicklung der Universität Stuttgart stellten in ihrem Referatstitel die Frage: Selbststudium in Bologna neu interpretiert? Da im Zuge der Bolognareform ja auch das Selbststudium der Studierenden mit ECTS-Punkten dotiert ist sind sie der Ansicht, dass die Planung, Initiierung, Betreuung und Bewertung dieser Selbststudiumszeiten stärker in die Verantwortung der Lehrenden rückt als bisher. Seit der Umstellung beobachte man jedoch zwei suboptimale Extreme des Umgangs: nämlich eine verstärkte Kontrolle und Verschulung des Selbststudiums versus einer Verwahrlosung“. Sie fragen sich also zu Recht, wie Lehrende dafür qualifiziert und in die Verantwortung genommen werden können, das begleitete Selbststudium angemessen zu betreuen. Die beiden Referentinnen sind der Ansicht, dass fachspezifische Kompetenzmodelle weitgehend fehlen und stellen eine Spirale der Erfahrung“ nach  Diez und Gabriel’s Modell der Kompetenzentwicklung (2008) vor, welche meiner Ansicht jedoch den ganzen Prozess etwas verkürzt darstellt.

diez.png 

Zwei Arbeitskollegen von meiner“ Stelle (Arbeitsstelle für Hochschuldidaktik / ZürichMarkus Weil und Balthasar Eugster stellten zu demselben Themenkomplex einen Beitrag vor mit dem Titel: Studium und Praktikum – die Relevanz des selbstgesteuerten Lernens für die Hochschule.
Sie gingen in ihrem Vortrag auf Konzepte aus der Berufs- und Erwachsenenbildung ein und zeigten zudem auf, dass begleitende oder nachbereitende Lehr-Lernprozesse sich in die Lehrveranstaltung einbetten lassen oder aber über die Art der Leistungsnachweise dokumentiert werden können.

Zuerst gingen sie auf die Abgrenzungsschwierigkeiten die Form Praktikum“ aus hochschuldidaktischer Sicht gegenüber anderen Formen ab:
prakti.png  

Besonders einleuchtend schien mir die Darstellung des selbstgesteuerten Lernens nach Pintrich (2004), welcher Phasen und Regulationsebenen ausdifferenziert: bild-4.png 

Mir scheint, dass das Praktikum in der Hochschule resp. Universität noch viel Potential enthält, gerade in Kombination mit dem selbstgesteuerten Lernen, wobei ich persönlich beim selbstgesteuerten Lernen auch Boekaerts (1996) miteinbeziehen würde, welche zwar ebenfalls auf Pintrich (1995) referiert, aber den Begriff „selbstreguliertes“ Lernen prägt und zudem noch ausführt:

Studierende:

  • Sollten motiviert sein, aktiv am Lehr-Lern-Prozess teilzunehmen,
  • ihr eigenes Wissen zu konstruieren und dadurch von den Lehrpersonen unabhängig zu werden.

Dozierende:

  •  Sollten nützliche Lernumgebungen schaffen, in welchen die Studierenden ihr eigenes Lernen steuern und ihre Emotionen kennen lernen können.

 

Ein anderer Themenkomplex stellten die Schlüsselkompetenzen und das wissenschaftliche Schreiben dar. Obwohl mir persönlich der Begriff überfachliche Kompetenzen“ sympathischer ist (vgl. zur Begründung das Dossier Überfachliche Kompetenzen“ der Arbeitsstelle für Hochschuldidaktik), möchte ich hier vor allem auf zwei Beiträge genauer eingehen:

Andrea Frank und Stefanie Haacke von der Universität Bielefeld (Beratung für Studium, Lehre und Karriere) hielten das Einführungsreferat zum Thema Vermittlung von (Schlüssel)-kompetenzen:Ein Querthema“ oder (wesentlich) mehr?

Ihre Hauptthese war, dass die Integration von Queranliegen“ in die fachliche Lehre der Schlüssel zu einer Studienreform ist, die diesen Namen auch verdient! Hier scheint mir der Begriff Schlüssel durchaus angebracht 😉

Vorab muss gesagt sein, dass sie sich für die integrative Vermittlung der Schlüsselkompetenzen entschieden haben und keine additiven Kurse anbieten. Wichtigster Punkt des Referates war der von den beiden Referentinnen gewählte Zugang: eine ethnologische“ Herangehensweise was heisst, dass die Mitarbeitenden sich in die Sprache“ der Disziplin eindenken“ also lesen, fragen, Hypothesen bilden und dann auf Lehrveranstaltungsebene ganz gezielt Vorschläge machen, wie nun fachspezifisch die Schlüsselkomptenzen integrativ vermittelt werden können. Vom Ansatz her leuchtet mir dies sehr ein, ich frage mich jedoch, ob der ganze Aufwand sich tatsächlich lohnt, ob es nicht eine Möglichkeit gäbe, pro Fach / Institut / Studienprogramm eine fachlich versierter Lehrperson an Bord zu holen und danach mit zwei Köpfen“ die Lehrveranstaltungen im Hinblick auf Schlüsselkompetenzen zu optimieren?

Zuletzt möchte ich noch ein Projekt der ETH Zürich erwähnen: Eva Buff-Keller und Ute Woschnack stellten das an der ETH momentan systematisch angegangene Thema Fachübergreifende Handlungskompetenzen“ vor. Dieser Beitrag – ursprünglich als Workshop eingereicht – hatte klar das Ziel, das bisher Erarbeitete einem breiteren Fachpublikum vorzustellen. Vor allem wollten die beiden Referentinnen darüber diskutieren, welche Rolle die Hochschuldidaktik für die Hauptakteure (Dozierende, Studierende, Studiengangsverantwortliche) spielen könnten. Und auch: Welche Supportleistungen der Hochschuldidaktik sinnvoll, realisierbar und finanzierbar sind. Die Diskussion zeigte, dass niemand das“ Konzept einfach so aus der Schublade ziehen konnte 😉   

Quellen:
Boekaerts, M. (1996). Self-regulated learning at the junction of cognition and motivation. European Psychologist. Vol 1(2), 100-112

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