Buchtipp 08: Erlebte Aufgabenschwierigkeit bei der Unterrichtsplanung

In meinem letzten Blogposting habe ich ja bereits darauf verwiesen, dass im Rahmen des Forschungsprojektes ESIS der Universität Hildesheim mehrere Dissertationen im Entstehen oder bereits abgeschlossen sind. Nebst der  lesenswerten Dissertation von Andreas Bach „Kompetenzorientierung im Praktikum“, erschien 2013 auch eine qualitativ-inhalsanalytische Studie zu den Praktikumsphasen der universitären Lehrerbildung von Claudia Gassmann.

Gassmann, C. (2013). Erlebte Aufgabenschwierigkeit bei der Unterrichtsplanung in den Praktikumsphasen der universitären Lehrerbildung “ Eine qualitativ-inhaltsanalytische Studie. Berlin: VS Springer.

Darin wird retrospektiv das reale Unterrichtsplanungsverhalten angehender Lehrpersonen am Praktikumsstandort Hildesheim untersucht. Insbesondere die inhaltsanalytische Herausarbeitung subjektiver studentischer Schwierigkeiten mit unterrichtsplanerischen Aufgaben soll einen Beitrag zur Begründung für den derzeit eher als defizitär beklagten Outcome universitärer Praxisphasen leisten. Die mit 508 Seiten sehr umfangreich ausgefallene Dissertation will u.a. folgende Fragen beantworten:

With regard to the big didactic models of university teacher education (cf. Gudjons 2003) of Wolfgang Klafki (Bildung-centered Didaktik resp. Critical-constructive Didaktik), Paul Heimann and Wolfgang Schulz (Berlin Model resp. Hamburg Model of lesson planning) as well as their integrated modelling (cf. Arnold/Koch-Priewe 2010), the following empirical questions shall be answered:

(1) To which extend do Hildesheim university teacher students refer to those models in their written lesson planning schemes?

2) Which difficulties do teacher students at Hildesheim University associate with the planning required of them and why are certain tasks considered as difficult?

Dass es sich bei der Unterrichtsplanung um eine sehr komplexe Aufgabe handelt verdeutlichte laut Gassmann (2013, S. 108) bereits Klafki wie folgt: Die Unterrichtsvorbereitung ist eine jener Aufgaben des praktischen Schulmanns, in denen Grundprobleme der Schulpaüdagogik wie ein Brennpunkt zusammentreffen (Klafki 1958, S. 450). Die Autorin fügt dem Zitat jedoch noch einige Gründe an, weshalb diese Aufgabe komplex ist:

Als komplexe Aufgabe gilt der Prozess der Unterrichtsplanung vor allem deshalb, weil

  • Studierende dazu šgezwungen˜ sind, in einer relativ offenen Situation verschiedene Ressourcen zu mobilisieren, wozu Wissen, Fertigkeiten und Haltungen gehoüren,
  • die erforderlichen Ressourcen nicht explizit genannt werden,
  • die Aufgabenstellung in der Regel bedeutsam ist und sich auf berufliche Kompetenzen bezieht,
  • die von den Studierenden erarbeiteten Problemloüsungen einzigartig sind, auch wenn den Aufgabenstellungen eine gewisse Standardisierung zugrunde liegt und
  • lediglich aühnliche aber nicht gleiche Aufgaben (Fallbearbeitungen) in der Ausbildung eingeuübt wurden (vgl. Bertschy/Schneuwly 2006, S. 106).

Zudem zeigt Gassmann (2013) auf, dass Unterrichtsplanung einhergeht mit Handlungsplanung, da diese explizite Entscheidungen fuür didaktische Handlungen unter Verwendung didaktischer Modelle verlange. Sie erarbeitet auch, welche Forschungsergebnisse es zum Planungshandeln von erfahrenen Lehrpersonen resp. zukünftigen Lehrpersonen gibt, und stellt diese als synoptische und chronologische Darstellung im Anhang zur Verfügung.

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Auf Seite 117 werden dann die aus der Forschung bekannten planungsbezogenen und -dimensionsübergreifenden Schwierigkeiten von Anfänger/-innen dargestellt und auch zusammengefasst:

Trotz defizitaürer Forschungslage laüsst sich ableiten, dass Planungsanfaünger Schwierigkeiten haben, die in einem lang andauernden Prozess getroffenen Planungsentscheidungen mit uübergeordneten (curricularen) Entscheidungen zu verknuüpfen und diese argumentativ zu begruünden. Unterrichtsinhalte, -ziele, und -methoden koünnen von Planungsanfaüngern offenbar nur schwer auf die jeweiligen Schuüler bezogen (didaktische Reduktion, persoünliches Sicherheitsbeduürfnis) und untereinander in Beziehung gesetzt werden (Interdependenz).

Um diese aus der bisherigen Forschung bekannten Schwierigkeiten bei ihrer Stichprobe zu überprüfen, schätzte die Autorin zu zwei Messzeitpunkten von je 25 Lehramtsstudierenden der Universitaüt Hildesheim die schriftlichen Unterrichtsplanungen (didaktische Akten) auf Basis schwierigkeitsgenerierender Merkmale ein. Mit den gleichen Personen konnte sie jeweils nach dem zu absolvierenden Praktikum fokussierte Leitfadeninterviews führen, die sich inhaltlich auf die Ergebnisse der Akteneinschaützung bezogen und Erklaürungen fuür diese liefern sollten.

Bezüglich der Beantwortung der beiden obigen Forschungsfragen stellt Gassmann im Abstract folgendes fest:

Ad 1): The rather deductive questions can be synoptically answered as follows: Even if, at the first measurement moment, the written planning schemes, on average, were established not at all or rather not according to 17 out of 42 characteristics of the theoretical model requirements, the components to be improved were mainly those of fine planning (e.g. justification of succession decisions for lesson sequences) in such a way as to identify a rough reference to the big didactic models (e.g. differentiated justification for central method decisions).

Ad 2): The rather inductive research questions can be synoptically answered as follows: Those difficulties among students identified based on evaluation driven results, which especially referred to planning tasks consideration of a dimensional order for the formulation of goals, critical analysis of the curriculum, as well as justification a method change and succession decisions for lesson sequences, can be traced back to and explained by the difficulty drawn categories explicit inclusion of social goals, inability to judge curriculum as well as constraints due to presettings by mentor. And: Planning tasks are considered as difficult by informants if they, e.g. show a low subjective impact on the lessons context (e.g. planning alternatives), contain a request to explain the implicit (e.g. formulation of goals) and assume the understanding of the academic language (e.g. reasoning based on perspective schemes).

Insgesamt liest sich die Dissertation vor allem im theoretischen Teil recht flüssig, der Ergebnisteil fällt sehr umfänglich aus, was jedoch bei qualitativ-inhaltsanalytischen Studien nicht zu vermeiden ist.

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