SGBF Jahreskongress 2014 | PH Luzern

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Schon wieder findet ein Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Bildungsforschung (SGBF) statt; schon wieder? Nun: der letzte war 2012 in Bern – ich berichtete hier, aber die Zeit rast wohl…

Am Vormittag nahm ich selber an einer Paper-Veranstaltung teil. Ein kurzer Rückblick: Zuerst berichteten Mirjam Kocher und Andrea Keck Frei erste Ergebnisse der Begleitstudie ReQuest – Quereinstieg in den Lehrberuf.

Hier ein Auszug aus dem Abstract:

Aufgrund des Mangels an Lehrpersonen in diversen Kantonen bieten verschiedene Pädagogische Hochschulen in der Schweiz verkürzte Studiengänge für Quereinsteigende an. Dabei handelt es sich um ein neues Segment von Studierenden, die bereits über einen Studienabschluss (oder eine äquivalente Vorbildung) sowie Berufserfahrung verfügen. Die Quereinsteigenden bringen Erfahrungen und Kompetenzen mit Transferpotenzial aus ihrem Erstberuf mit, die für ihren zukünftigen (Lehr-)Beruf als wichtig erachtet werden und daher eine kürzere Ausbildung rechtfertigen. Besonderes Merkmal der Quereinstieg-Studiengänge an der Pädagogischen Hochschule Zürich ist ihre berufsintegrierte bzw. berufsbegleitete Ausrichtung und das ihnen zugrunde liegende learning-by-doing-Ausbildungsmodell.

Gefragt haben sich die Forscherinnen im Beitrag: Welche Kompetenzen bringen die QUEST-Studierenden bei Studieneintritt mit, wie entwickelt sich der Kompetenzaufbau im Studium? Besteht zudem ein Unterschied zur Kompetenzentwicklung von Studierenden in den Regelstudiengängen?

Momentan liegen Fragebogendaten zu drei Messzeitpunkten vor: am Anfang und am Ende des ersten Studienjahres, sowie am Ende des zweiten, berufsintegrierten Studienjahres.

Erste Ergebnisse zeigen, dass sich das Wissen und Können und die konstruktivistischen subjektiven Theorien der Quereinsteigenden, gemessen anhand eigener Einschätzungen, im ersten Studienjahr steigern und die Selbstwirksamkeitsüberzeugungen im Lehrberuf bereits am Anfang der Ausbildung hoch eingeschätzt werden.

Hier kann man auf weitere Ergebnisse sehr gespannt sein!

Im Anschluss an diesen Input referierte Manuela Keller-Schneider (ebenfalls von der PH Zürich) zum Thema „Kompetenz und die Strukturierung beruflicher Anforderungen durch Studierende und Lehrpersonen unterschiedlicher Phasen ihres Professionalisierungsprozesses“. Wiederum aus dem Abstract:

In der Novizen-Expertenforschung wird davon ausgegangen, dass sich das Wissen von Experten nicht in erster Linie durch ein šmehr wissen auszeichnet, sondern durch eine verdichtetere Strukturierung. Was den Experten vom Novizen unterscheidet, zeigt sich in der Art der Strukturierung und dem Grad der Vernetzung von Anforderungen zu verdichteten Anforderungsbereichen. Das Handeln von Anfängerinnen und Anfängern ist von Regeln und Richtlinien geleitet, die nach Entsprechungen im situativen Kontext suchen. Durch die Erfordernisse der aktuellen Situation erfolgt eine Adaptation des regelgeleiteten Wissens wie auch eine Differenzierung und ein Abgleich von sich widersprechenden Überlegungen. Erfahrungen in die subjektive Denkstruktur integriert und somit als Lerngelegenheit genutzt, treiben die Kompetenzentwicklung voran.

Aufgrund dessen stellte Manuela Keller-Schneider die folgenden Fragen:

1) Wie unterscheidet sich das Kompetenzerleben in der Bewältigung von Berufsanforderungen von Lehrpersonen unterschiedlicher Berufserfahrungsphasen?

2) Lassen sich Unterschiede im Ausmass wie auch in der latenten Strukturierung der Kompetenzein-schätzungen zwischen Studierenden am Ende ihres Studiums, in den Beruf einsteigenden und berufserfahrenen Lehrpersonen identifizieren?

Zur Prüfung dieser Fragestellung wurden Studierende der PH Zürich im letzten Studienjahr (n= 241) und im Kanton Zürich berufstätige Lehrpersonen (Lehrpersonen in der Berufseinstiegsphase: n= 217 und berufserfahrene Lehrpersonen mit 7-15 Berufsjahren: n= 204) mittels Fragebogen befragt.

Die vorgestellten Ergebnisse lassen annehmen, dass sich sowohl im Ausmass des Kompetenzerlebens wie auch in der latenten Strukturierung der wahrgenommenen beruflichen Anforderungen, berufsphasenspezifische Unterschiede zeigen. Dies insofern, als dass einzelne Items der Kompetenzerfassung auf jeweilen andere Faktoren laden. Zudem konnte Manuela Keller-Schneider die Annahme, dass die Entwicklung von Kompetenz sich auch im Verdichten und Vernetzen von Anforderungen zeigt, mit diesen Befunden verifizieren.

Auch hier: Dies sind äusserst spannende Ergebnisse!

Mein Beitrag fokussierte dann wiederum – wie könnte es ander sein – die Unterrichtsbesprechungen. Ich fragte, auf der Grundlage von 49 ausgewerteten Unterrichtsbesprechungen mit insgesamt 17h30′ Dauer:

1) Werden Lerngelegenheiten in Unterrichtsbesprechungen von Studierenden zum Lernen genutzt?

2) Unterscheiden sich Lerngelegenheiten mit Belegstellen für Lernen der Studierenden von solchen ohne Belegstellen, bezüglich zweier Aspekte der kommunikativen Kompetenz (Gesprächsstil und modaler Sprachgebrauch) der Praxislehrpersonen?

In Anlehnung an meinen Input am DGFE-Kongress (vgl. hier) konnte ich jedoch heute bereits mit einer grösseren Stichprobe zeigen, dass ca. ein Drittel aller möglichen Lerngelegenheiten von den Studierenden zum Lernen genutzt wurde und sich der Gesprächsstil der Praxislehrpersonen auch diesbezüglich veränderte.

Der letzte Beitrag in unserer Session wurde von Christian Brühwiler der PH St. Gallen gehalten, welcher längsschnittliche Analysen zum Erwerb mathematischen und mathematikdidaktischen Wissens angehender Primar- und Sekundarlehrpersonen vorstellte. Ausgehend davon, dass zu den unbestrittenen Bestandteilen professioneller Kompetenz ein ausreichendes Mass an fachlichem und fachdidaktischem Wissen gehört, kommen beispielsweise Baumert et al. (2010) in der COACTIV-Studie zum Schluss, dass ein hohes Fachwissen von Mathematiklehrpersonen notwendig sei, um vermittelt über fachdidaktisches Wissen kognitiv aktivierenden Unterricht halten zu können und so den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler positiv zu beeinflussen (vgl. auch Baumert & Kunter, 2011).

Folgende Fragen standen im Zentrum des Beitrags:

(1) Zeigen angehende Lehrpersonen im Verlaufe der Lehrerausbildung einen Leistungszuwachs in Mathematik und Mathematikdidaktik?

(2) Bestehen Unterschiede im Erwerb mathematischen und mathematikdidaktischen Wissens zwischen den Ausbildungstypen Primarstufe und Sekundarstufe I?

(3) Erweisen sich motivationale Merkmale als günstige Prädiktoren für Leistungszuwächse in Mathematik und Mathematikdidaktik?

Die Analysen erfolgten auf der Basis längsschnittlicher Daten von 153 angehenden Lehrpersonen, die für das vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützte Projekt WiL (Wirkungen der Lehrerausbildung auf professionelle Kompetenzen, Unterricht und Schülerleistung) erhoben wurden. Das Projekt schliesst konzeptionell und methodisch an TEDS-M an. Die Ergebnisse zeigen bei künftigen Primarlehrpersonen einen geringen, aber statistisch signifikanten Leistungsanstieg bei der Mathematikdidaktik, nicht jedoch beim mathematischen Wissen. Bei den angehenden Lehrpersonen der Sekundarstufe I sind im Verlaufe des Studiums Zuwächse in beiden Bereichen zu finden. Bezüglich motivationaler Prädiktoren zeigen sich ebenfalls Unterschiede zwischen den Ausbildungstypen. Dabei kommt der fachbezogenen Motivation eine besondere Bedeutung zu.

Hier bin ich besonders gespannt auf die weiteren Auswertungen, vor allem wie sich die Fachkompetenz aber auch die Fachdidaktische Kompetenz nach Abschluss des Studiums weiterentwickelt und ob diese dann auch Auswirkungen auf die Unterrichtsqualität und die Schüler/-innenleistungen haben.

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